Der Weg zurück zur Quelle

Ein Schoßraummärchen in 5 Etappen
 

1. Das goldene Band 

Es war einmal eine Frau, die spürte, dass etwas in ihr fehlte.
 Nicht äußerlich - sondern innen.
 Ein Leuchten, das sie einst gekannt hatte.
 Ein Raum, den sie vergessen hatte. 
Eines Nachts, als sie am Feuer saß, fiel ihr Blick auf ein altes goldenes Band, 
das einst ihrer Urgroßmutter gehört hatte.
 Als sie es berührte, spürte sie einen leisen Ruf.
 Er kam aus der Erde.
 Er kam aus ihr. 
Und sie machte sich auf den Weg. 
Am ersten Tor saß eine Frau mit Händen aus Lehm und Augen aus Moos.
 „Ich bin die Hüterin der Schwelle“, sagte sie.
 „Wenn du weitergehen willst, musst du dich setzen.
 Atme. Fühle. Du bist gemeint.“
 Und sie nahm das goldene Band, knotete es um das Handgelenk der Frau und flüsterte:
 „Nimm Platz, du bist angekommen.“ 
 

2. Die dunkle Höhle 

Der Weg wurde schmaler, stiller, dunkler.
 Die Frau trat in eine Höhle.
 Dort war es kühl, feucht, leise. 
Eine andere Frau saß in der Dunkelheit.
 Sie hatte Haare wie Nachthimmel und ein Spinnennetz an ihrer Schulter.
 „Ich bin die Höhlenfrau“, sagte sie.
 „Ich bewahre deine alten Geschichten.“ 
Sie führte die Frau an einen Spiegel aus schwarzem Wasser.
 „Schau hinein, aber nicht mit Angst.
 Was du dort siehst, war schon immer in dir.“ 
Die Frau sah Tränen.
 Und Stimmen.
 Und Bilder, die sie längst vergessen hatte.
 Aber sie blieb. Und als sie wieder ging, war sie weicher. 
 

3. Der goldene Rauch 

Der nächste Raum war ein Garten.
 Dort kniete eine Frau im grünen Kleid, umgeben von Rosengeranie und Salbei.
 Sie hielt eine Schale mit Rauch in den Händen. 
„Ich bin die Heilerin“, sagte sie.
 „Ich löse, was dich bindet.“ 
Die Frau legte sich auf die Erde.
 Der Rauch stieg über ihren Körper.
 Der goldene Fluss begann zu leuchten.
 Der Schmerz in ihrem Becken wurde warm.
 Sie weinte. Und lachte.
 Und als sie wieder aufstand, war ihr Schoß ein leuchtender Kelch. 
 

4. Die Tänzerin aus Licht 

Dann kam sie zu einer Wiese, wo eine Frau in einem roten Kleid tanzte.
 Rosen wuchsen unter ihren Füßen, Licht spiralförmig um ihren Körper. 
„Ich bin die Göttin in dir“, sagte sie.
 „Ich bin die, die lacht. Die lebt. Die liebt.“ 
Die Frau spürte ihren Atem, ihren Puls, ihre Lust am Leben.
 Sie tanzte.
 Nicht für andere - nur für sich.
 Und als sie stehen blieb, war sie strahlend.
 Sie wusste: Ich bin schön. 
 

5. Die Frau im Spiegel 

Schließlich kam sie zu einem See.
 Dort saß eine Frau aufrecht wie ein Baum, 
mit einem goldenen Kelch in den Händen.
 Ihr Blick war still.
 Ihr Haar war silbern.
 „Ich bin die Königin im Tempel“, sagte sie.
 „Ich bin du.“ 
Die Frau kniete nieder.
 Die Königin reichte ihr den Kelch.
 Und in diesem Moment erinnerte sie sich:
 Der Tempel war nie verloren.
 Er war in ihr.
 Die ganze Zeit. 
 
Und als sie zurückging, führte sie den goldenen Fluss in sich.
 Sie trug ihn nicht nur in ihrem Schoß,
 sondern auch in ihrer Stimme, in ihren Augen, in jedem Schritt.
 Und wohin sie auch ging -
 die Erde blühte auf. 
🌹